Bis 2040 will Österreich klimaneutral werden. Damit das gelingen kann, ist auch bei der Industrie ein Umdenken erforderlich. Österreichs größtes Zementwerk in Mannersdorf am Leithagebirge (NÖ) will nach der Eröffnung der vertikalen Rohmühle, die durch die Verwertung von alternativen Reststoffen – z.B. Baurestmassen wie Ziegel und Beton – jährlich 17.000 Tonnen C02 einspart, einen weiteren Schritt setzen. Der Eigentümer Lafarge will mit Hilfe von Verbund, OMV und Borealis die Zementherstellung in Zukunft CO2-neutral bewerkstelligen.
Bei der Produktion von Zement fällt in der Regel viel klimaschädliches CO2 an, und zwar durch das Erzeugen von Kalkstein und durch die eingesetzten Brennstoffe, sagt der Geschäftsführer der Österreich-Niederlassung von Lafarge, Berthold Kren. „Dieses CO2 kann relativ einfach eingefangen und aus dem Prozess geschleust werden. Mithilfe von Grünem Wasserstoff, erzeugt aus Photovoltaik und Windanlagen, der vom Verbund kommen soll, kann dieses CO2 dann zu einem Synthesegas weiterverarbeitet werden.“
CO2 als wichtiger Rohstoff
Das aus CO2 und Grünem Wasserstoff hergestellte Synthesegas wiederum wollen Borealis und OMV zu Treibstoff und hochwertigem Kunststoffen weiterverarbeiten, die den traditionellen, aus fossilen Ausgangsstoffen hergestellten Produkten ähneln – nur dass eben kein frisches Öl aus der Erde geholt werden muss. Anstatt das CO2 in die Atmosphäre zu emittieren, wird es praktisch recycelt und so zu einem neuen Rohstoff. „Wir gehen von einem Stoff, der ein Problem ist, zu einem Stoff, den wir brauchen“, sagt Borealis-Chef Thomas Gangl zu dem Projekt.
Mit dem Bau der Pilotanlage soll 2023 begonnen werden, ab 2025 soll sie dann zunächst 10.000 Tonnen CO2 pro Jahr absaugen und weiterverarbeiten. Wenn sich das Verfahren bewährt, soll die Anlage weiter ausgebaut werden. Endziel ist die Schaffung einer sektorübergreifenden Wertschöpfungskette sowie die Errichtung einer Anlage im industriellen Maßstab bis 2030, welche im Zementwerk Mannersdorf eine Abscheidung von nahezu 100 % des jährlichen Ausstoßes von 700.000 Tonnen CO2 ermöglicht. Das abgeschiedene CO2 stünde so als Ressource zur Verfügung.
Grüner Wasserstoff fehlt
Unbedingt notwendig für das Projekt: Grüner Wasserstoff. Nur damit kann aus dem CO2 klimaneutral Plastik hergestellt werden. 150.000 Tonnen Grünen Wasserstoff will Österreich bis 2030 selbst produzieren. Aber diese Menge reiche gerade einmal für sein Projekt, bekräftigt Kren.
Es würde also 2030 in Mannersdorf so viel Grüner Wasserstoff gebraucht werden, wie in ganz Österreich erzeugt wird. „Es gibt noch keinen Zugang zum Wasserstoff-Backbone in Europa. In den beiden Fällen – CO2 und Wasserstoff – ist Österreich derzeit noch eine komplett weiße Landkarte. Da tut sich nichts“, kritisiert Kren.
Bessere Rahmenbedingungen gefordert
Es gibt aber noch ein weiteres Problem: Die Rahmenbedingungen passen nicht. Lafarge muss CO2-Zertifikate kaufen – eine Art Ausgleichszahlung für das Emittieren von Kohlenstoffdioxid. Die Verwertung des CO2 zu Kunststoff würde diese Strafzahlung nicht verringern, lediglich die Absonderung und Speicherung von CO2 führe zu einer niedrigeren Zahlung. Allerdings ist die Speicherung von CO2 in geologischen Strukturen in Österreich derzeit verboten. Kren betont abschließend, dass die Firma zur Klimaneutralität beitragen möchte. Die Industrie brauche jedoch Planungssicherheit und einen gesetzlichen Rahmen, um Projekte wie jenes der CO2-neutralen Zementproduktion durchführen zu können.