17.11.2021

Von Gülle zu hochreinem Wasserstoff

Forscher der TU Graz um den Verfahrenstechniker Viktor Hacker haben gemeinsam mit dem Start-Up-Unternehmen Rouge H2 Engineering die Chemical-Looping-Methode entwickelt, ein Verfahren zur dezentralen Erzeugung von hochreinem Wasserstoff aus Biogas bzw. Biomasse. Während der Sommermonate wurde nun das Chemical Looping in einer Biogasanlage im südoststeirischen Mureck mit einer dafür entwickelten sogenannten „On-Site On-Demand“-Anlage (OSOD) getestet.

Aus Biogas wird Synthesegas und aus Eisenoxid Eisen

Die 10 kW Anlage zweigt etwa ein Prozent des Biogasstroms ab (ca. 30 Liter pro Minute) und vermischt es mit Wasserdampf. Das Gemisch strömt in den Reaktor der Anlage. Dort wird das Biogas bei einer Temperatur von 850–900 °C reformiert und Synthesegas, das zum größten Teil aus Wasserstoff und Kohlenmonoxid besteht, hergestellt. Das Synthesegas ist aber nicht Endprodukt, sondern wird im Chemical Looping eingesetzt, um in einem Reaktor bei 800 °C Eisenoxid-Granulat zu Eisen zu reduzieren. Jener Teil des Synthesegases, der bei der Reduktion nicht umgesetzt wird, wird verbrannt. Die dabei entstehende Wärme kann für den Chemical-Looping-Prozess oder die Reformierung genutzt werden. Da bei der Verbrennung des Synthesegases CO2-Emissionen entstehen, ist es notwendig, beim Chemical Looping Biogas zu verwenden.

Eisen wird zu Eisenoxid und dabei entsteht Wasserstoff

Um in einem weiteren Schritt Wasserstoff zu erzeugen, wird dem Reaktor Wasserdampf zugeführt. In der Folge reoxidiert das Eisen wieder zu Eisenoxid. Dabei wird Wasserstoff mit einem Reinheitsgrad von 99,998 % frei. Nun ist die vormals im Biogas enthaltene Energie im Eisenoxid gespeichert, und somit sind die verlustfreie Lagerung und der gefahrlose Transport möglich. Hochreiner Wasserstoff kann dann bei Bedarf erzeugt werden, indem im Reaktor einer OSOD-Anlage die Reoxidierung des Eisens mit Wasserdampf erfolgt. Das Eisenoxid kann mehrmals verwendet werden. Zurzeit wird daran geforscht, die Anzahl der möglichen Produktionszyklen zu maximieren und die Reaktoren stabil und langlebig zu machen. Dadurch würde auch die Wirtschaftlichkeit des Verfahrens steigen.

Suche nach Geschäftsfeldern

Die Demonstrationsanlage Mureck hat gezeigt, dass sich die Technologie in eine bestehende Biogasanlage integrieren lässt. Doch wie soll der erzeugte Wasserstoff verwendet werden? Neben der OSOD-Anlage könnte eine Wasserstofftankstelle errichtet werden. Der erzeugte Wasserstoff müsste dann allerdings von 100 bar auf die vorgeschriebenen 700 bar verdichtet werden, was mit Kosten verbunden wäre – damit stellt sich wieder die Frage nach der Wirtschaftlichkeit. Andere Möglichkeiten der Nutzung von „Wasserstoff ab Biogasanlage“ wären etwa die Abfüllung in Gasflaschen zum weiteren Transport, die Verlegung von Wasserstoffleitungen direkt zu mit Brennstoffzellen ausgestatteten Wohnhäusern oder die Nutzung in industriellen Prozessen.

Reif für den kommerziellen Einsatz

Die Versuche in Mureck haben gezeigt, dass mit dem Eisen-Wasserdampf-Prozess ein Wirkungsgrad von 75 % möglich ist. „Hätten wir anstelle des einen Prozents den gesamten Biogasstrom der Murecker Biogasanlage (etwa 480 Kubikmeter pro Stunde) durch eine entsprechend hochskalierte Chemical-Looping-Anlage geleitet, wäre sogar eine 3 MW Wasserstoffproduktionsanlage entstanden. Das bedeutet, die Technologie ist nun reif für den kommerziellen Einsatz. Wir können auch im großen Maßstab dezentralen Wasserstoff aus realem Biogas herstellen. Alles, was es braucht, ist ein wenig Platz für unsere Anlage. Wir sind daher ab sofort offen für Aufträge aus der Biogasindustrie“, betont Rouge H2 Projektleiter Gernot Voitic.

Kernteam des Projekts Biogas2H2 (v.l.n.r.): Karl Totter, Geschäftsführer der Ökostrom Mureck GmbH, Viktor Hacker, Forscher an der TU Graz, Gernot Voitic, Projektleiter bei Rouge H2 Engineering, Karl Totter sen., Gründer der Ökostrom Mureck GmbH, und Bernd Stoppacher, Doktorand an der TU Graz.
© Frankl / TU Graz