20.02.2023

Wasserstoff-Diplomatie will künftige Energieversorgung sichern

Wasserstoff wird in vielen europäischen Ländern als Schlüssel für eine erfolgreiche Dekarbonisierung gesehen. Er soll fossiles Erdgas dort ersetzen, wo eine Elektrifizierung nicht möglich ist. Dazu gehören unter anderem industrielle Produktionsprozesse.

Die benötigten Mengen an klimaneutralem Wasserstoff sind beträchtlich, und nicht überall sind die Bedingungen für die Erzeugung gleich günstig. Viele Staaten suchen daher nach Möglichkeiten, Wasserstoff zu importieren. Dafür werden aber nicht nur Produktionsanlagen benötigt, sondern auch geeignete und ausreichende Transportkapazitäten. Es hat sozusagen ein „Run“ auf günstigen Wasserstoff eingesetzt. Hochrangige Regierungsvertreter machen Staatsbesuche, um sich für geeignete Bedingungen für zukünftige Wasserstoffimporte einzusetzen.

Zwei Beispiele für solche Initiativen sind in jüngster Zeit durch die Medien gegangen. Im Dezember wurde während einer Norwegenreise des deutschen Wirtschaftsministers Robert Habeck bekanntgegeben, dass künftig Wasserstoff aus Norwegen nach Deutschland geliefert werden soll. Der deutsche Energieversorger RWE und der norwegische Konzern Equinor (ehemals Statoil) unterzeichneten eine Vereinbarung über eine strategische Partnerschaft zur Produktion von Wasserstoff und zum Aufbau einer Transportinfrastruktur, einschließlich einer Wasserstoffpipeline von Norwegen nach Deutschland.

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Zuerst Blauer, dann Grüner Wasserstoff

Equinor will in Norwegen eine Wasserstoffwirtschaft aufbauen. Wasserstoff soll aus Erdgas gewonnen werden. Bis 2030 soll eine Produktionskapazität von 2 GW aufgebaut werden, bis 2038 10 GW. Das dabei entstehende Treibhausgas CO2 soll abgetrennt und unterirdisch gespeichert werden. Die Herstellung von blauem Wasserstoff soll aber nur der erste Schritt sein. Später soll ihn Grüner Wasserstoff ersetzen, der durch Elektrolyse aus erneuerbarem Strom erzeugt wird.

RWE will über die neu gebaute Pipeline Wasserstoff aus Norwegen beziehen, um ihn in wasserstofftauglichen Gaskraftwerken zur Stromerzeugung einzusetzen. Eqinor plant aber auch Kooperationen mit anderen deutschen Energieversorgern. So werden derzeit gemeinsam mit VNG die Voraussetzungen für die Produktion von klimaneutralem Wasserstoff an der Ostseeküste, insbesondere in Rostock, geprüft. Ziel ist es, Technologien zur Abtrennung, Nutzung oder zum Transport und zur sicheren Speicherung von CO2 im großtechnischen Maßstab einzusetzen. In Rostock soll eine Wasserstoffproduktionskapazität im Gigawatt-Maßstab aufgebaut werden: Mehr als 230.000 Tonnen pro Jahr, das entspricht 8 bis 9 TWh und damit fast 20 Prozent des heutigen deutschen Wasserstoffmarktes. Dazu müssten jährlich fast zwei Millionen Tonnen CO2 aus der Wasserstoffproduktion abgetrennt und verflüssigt werden. Das CO2 soll per Schiff an die norwegische Küste transportiert und dort dauerhaft und sicher gespeichert werden.

Wasserstoff-Hub Italien

Die italienische Premierministerin Giorgia Meloni nutzte Ende Jänner einen Staatsbesuch in Algerien, um Pläne für künftige Wasserstoffimporte zu besprechen. Seit dem Krieg in der Ukraine ist die Bedeutung Algeriens als Energielieferant gestiegen. Neben der bereits bestehenden Erdgaspipeline soll nun auch eine Wasserstoffpipeline gebaut werden, über die künftig grüner Wasserstoff von Algerien nach Italien transportiert werden soll. Über diesen südlichen Wasserstoffkorridor könnte Wasserstoff aus den sonnenreichen Regionen Nordafrikas und Südeuropas auch nach Österreich und Deutschland gelangen. Italien will so zur Energiedrehscheibe im Mittelmeerraum und zum Energieverteiler für ganz Europa werden.